Dieses Gefiepe und Gepiepe, wenn zum Beispiel die Backbox im Supermarkt entleert werden will, oder ein LKW rückwärtsfährt, irgendwo eine Alarmanlage angeht oder bis man sich im Auto angeschnallt hat. Solche Geräusche können mich in den Wahnsinn treiben.
Bekanntermaßen können hochsensitive Menschen Reize in ihrer Umgebung nicht einfach ignorieren.
READ MOREDie Dinge, an die sich manche einfach gewöhnen und mit der Zeit gar nicht mehr mitbekommen, wie zum Beispiel das Tropfen eines Wasserhahns, das Surren eines elektronischen Gerätes auf Stand-by, oder eben solche Pieps-Geräusche, die nehmen für HSP noch an Intensität zu.
Das Filtersystem im Hirn sortiert ja normalerweise aus, im Moment unwichtiges wird nur schwach bis gar nicht wahrgenommen und fällt somit nicht ins Gewicht. Das Filtersystem von Hochsensitiven macht das ja nun mal nicht. Manchmal bin ich darüber wirklich froh. Ich bekomme mehr von meinem Umfeld mit. Als Mutter, Oma und Patentante war und ist es auch immer noch von Vorteil, wenn man hellhörig ist und schon vorzeitig mitbekommt welche kreativen Pläne die wuselnde Kleinkinderbande in die Tat umzusetzen versucht.
Manchmal wird es für mich aber echt unangenehm. Wie eben bei den oben genannten Pieps-Geräuschen. Ich spüre dann eine Anspannung die sich mit Fortbestehen des Geräusches noch verstärkt. Hinzu kommt auch ein Gefühl der Aggression, erstens weshalb dieses Geräusch sein muss und zweitens weil ich dieser Sache nicht einfach entfliehen kann. Im Supermarkt, wenn diese Brotbackbox zu piepen beginnt und niemand der Angestellten sofort Zeit hat (was ja rational betrachtet auch logisch ist, haben ja sonst auch noch was zu tun) sie abzudrehen. Ich könnt ausflippen. Keine Angst, ich werde jetzt nicht rabiat, ich flippe innerlich. Der Zustand ist für mich körperlich wirklich grausam.
Wenn ich solche Geräusche selbst verursache geht es besser, da ich es in der Hand habe, dass sie wieder aufhören und ihnen nicht ausgeliefert bin.
Natürlich habe ich gelernt mit solchen Situationen umzugehen und äußerlich ruhig zu bleiben. Ich weiß ja aus Erfahrung, dass Gefiepe, welcher Art auch immer, irgendwann mal aus ist. Jede Alarmanlage hat eine begrenzte Zeit die sie schreit, so um 1 Minute rum (Gefühlt kann so eine Minute aber verdammt lange sein), Jeder LKW ist mal fertig mit dem Rückwärtsfahren, nach ein paar Metern ist mein lieber Mann dann auch angeschnallt und die Semmeln dürfen im Supermarkt ja nicht verbrennen.
Und an diesem Wissen halte ich mich fest in solchen Situationen. Die Anspannung ist trotzdem da, sie ist aber erträglicher. Ich fokussiere mich somit nicht auf das Geräusch an sich, sondern konzentriere mich auf das kommende Ende. Auch wenn ich es nicht selbst beenden kann weiß ich, dass es in Kürze aufhört. Sobald es wieder ruhig ist, ist meine Anspannung in der gleichen Sekunde weg und macht einem herrlichen Gefühl der Erleichterung Platz. Dieser Erleichterung finde ich wiederum sehr angenehm und entschädigt mich irgendwie für die vorherige Anspannung der ich mich nicht entziehen konnte.
Es gibt für hochsensitive Menschen viele Reize denen sie sich nicht entziehen können, die sie sich nicht aussuchen können. Manchmal ist es gar nicht so leicht herauszufinden welcher der vielen Reize, die auf einen einströmen der ist, der einem in den Wahnsinn treiben kann. Es macht Sinn sich damit auseinander zu setzen, der Sache auf den Grund zu gehen. Das Gefühl einem Reiz hilflos ausgeliefert zu sein ist oft schlimmer als der Reiz selber.
Wenn man den Auslöser eruiert hat wird sich trotzdem keiner von uns umdrehen und sagen:“ Ach das ist es! Na dann störts mich ja nicht mehr.“ Nein, aber man kann Strategien entwickeln um besser damit umgehen zu können, um sich nicht so sehr damit zu belasten.
Reize sind da, kann ich mir oft nicht aussuchen, aber es macht einen Unterschied ob ich mich hineinsteigere oder Bewältigungsstrategien entwickle. Keine Frage, das geht nicht bei allen Reizen, schon gar nicht bei solchen, die immer uns ständig um einen rum sind. Ich denke da an ständiges grelles Licht am Arbeitsplatz oder zig Stimmen um mich rum in einem Großraumbüro oder ein unangenehmer Geruch der von einer Wandfarbe in der Wohnung ausgeströmt wird. In solchen Fällen ist für mich zu überlegen wie man sein Umfeld verändern kann, denn auf Dauer geht das kaum gut. Eine ständige Beeinträchtigung entzieht uns noch zusätzlich wertvolle Energie, die wir dringend für den Umgang mit den sonstigen visuellen, kinästhetischen, auditiven, olfaktorischen und gustatorischen Reizen die auf uns einströmen benötigen.
Wir müssen uns ja nicht noch zusätzlich Dinge antun die nicht notwendig sind, Masochismus liegt mir nicht.
Wechseln wir jetzt kurz mal die Perspektive. Ich schreibe das hier aus der Sicht einer Erwachsenen mit einer gewissen Lebenserfahrung. Wie schaut dasselbe aus betrachtet durch die Augen eines hochsensitiven Kindes, oder gar Babys? Wie geht es wohl diesen kleinen Spatzen auf die solche Eindrücke und Reize absolut ungebremst, ja, ich sag mal eindreschen? Denn das tun sie! Diese Kinder haben noch keine Schutzschilder, noch keine Erfahrung, keine bewussten Strategien.
In solchen Fällen, wenn es zu viel wird für die Kleinen, beginnt eine Stressreaktion die das Stammhirn, auch Reptiliengehirn genannt, aktiviert. Dieser älteste Teil unseres Gehirns kennt 3 Reaktionen: draufhauen, flüchten, tot stellen. Kommt euch das bekannt vor? Ein Kind, das sich auf einmal in sich zurückzieht, bei einer Familienfeier sich hinter den Eltern versteckt und um nichts in der Welt die lieben Verwandten begrüßen und ihnen Rede und Antwort stehen will? Ein Kind, das aus, wie es für Außenstehende aussieht, dem Nichts heraus plötzlich aggressiv ist, schreit, um sich tritt, Dinge herausschmeißt? Ein Kind, das in Panik wegrennt? Alle kognitiven Denkprozesse sind in diesem Moment runtergefahren, die Kinder oft nicht mehr erreichbar.
Ich rede hier nicht von der Trotzphase, die für jeden Floh und deren Eltern ein wichtiger Entwicklungsschritt ist. Das gilt es zu unterscheiden. Bezugspersonen die das Kind kennen, können diesen Unterschied im Verhalten sehen. Außenstehende meist nicht. Und allen, die sich im Supermarkt oder sonst wo mokieren, wenn sich ein Kind, aus ihrer Sicht, aufführt, herumschreit, sich auf den Boden wirft sollte man darauf aufmerksam machen, dass sie den Hintergrund nicht kennen. Und sie sollten sich darüber klar sein, dass solche Situationen sowohl für die Eltern, wie auch für die Kinder nicht lustig sind.
Als Erwachsenen haben wir mehr Handlungsspielraum und mehr Möglichkeiten zu reagieren, wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen. Das Eruieren von Auslösern, das Entwickeln von Strategien und das Überdenken von Lebenssituationen sind die Hauptthemen mit denen hochsensitive Menschen zu mir ins Coaching kommen.
Für Neugierige hier zwei Links zu mehr Informationen zum Thema Coaching:
„Online Coaching – geht denn das?“
Ich wünsche euch noch eine entspannte, angenehme Woche. Ich freue mich auch sehr über Kommentare zu meinen Beiträgen. Ganz besonders schön finde ich es, wenn ihr meine Beiträge teilt und Freunden empfehlt, denn dadurch wird das Wissen über Hochsensitivität weiter verbreitet. Vielen Dank an Euch!
Herzliche Grüße
Eure Moni Bock