Verzweiflung eines Kindes

Das achtjährige Mädchen weint leise, es hat sich in eine Ecke im Gemeinschaftsraum zurückgezogen. Die Freizeitpädagogin in der Nachmittagsbetreuung geht langsam auf sie zu, hockt sich zu ihr auf den Boden und fragt weshalb sie denn so traurig ist, was denn passiert sei. Unter schluchzen erzählt sie, dass sie heute einen Test zurückbekamen.

Nun zum Hintergrund dieser wahren Begebenheit:

Zweite Klasse Volksschule, alle paar Wochen macht die Lehrerin eine Lernstoffüberprüfung, die auch benotet wird. Die Kinder wissen aber nie, wann genau sie stattfindet. Sie werden nur eine Woche davor informiert, dass sie kommen wird.

Das alleine ist für viele SchülerInnen schon ein extremer Stressfaktor. Kein erwachsener Mensch würde das gerne in seinem Job haben: „Hey, kommende Woche wirst du irgendwann getestet!“ Das wäre nicht witzig und würde ganz sicher für heftige Proteste sorgen.

Das besagte Mädchen bekam einen Einser auf den Test. Müsste sie da nicht froh sein? Eigentlich ja, aber sie hatte trotz des Einsers Fehler bei der Überprüfung gemacht, minimale, dennoch Fehler. Und genau diese lassen sie so verzweifeln. „Ich will doch ins Gymnasium gehen“, schluchzt sie, „Da darf ich keine Fehler machen, da muss ich supergut sein!“ Die Betreuerin versucht sie zu trösten und ist gleichzeitig erschüttert, wie man ein Kind so unter Druck setzen kann.

Das kann es doch nicht sein, dass ein Kind Angst hat Fehler zu machen, beim Schreiben, Lesen und Rechnen. Und dennoch passieren solche Dinge. Die Geschichte ist kein Einzelfall.

Lernen sollte Freude sein, die angeborene Neugierde eines Kindes nutzen, zum Forschen animieren. Man sollte Erfahrungen sammeln.

Und dennoch ist die Angst vor Fehlern dermaßen manifestiert, dass ich damit auch immer wieder in meinen Kursen in der Erwachsenenbildung konfrontiert bin. Ich zeige den Teilnehmerinnen wie aus dem Wort FEHLER, das Wort HELFER entsteht. Durch Fehler können wir lernen, wie es nicht funktioniert, Erfahrungen sammeln. Durch Fehler entwickeln wir uns weiter.

Wie sollen Kinder mutig die Welt erforschen, wenn sie Angst vor Fehlern haben müssen, und damit meine ich nicht die gefährlichen Sachen wie der Griff auf eine heiße Herdplatte. Damit meine ich die Entwicklung in einem geschützten Rahmen, der altersentsprechend natürlich immer wieder angepasst werden sollte. So einen geschützten Entwicklungsraum sollte neben dem Elternhaus die Schule darstellen, davor der Kindergarten.

Eine meiner ganz wenigen Erinnerungen aus meiner Volksschulzeit ist die, als ich bei einer Ansage das Wort „Verkehr“ so falsch wie nur irgend möglich geschrieben hatte. Ich habe mich so sehr dafür geschämt und mich elend gefühlt. Es wäre wirklich nicht notwendig gewesen mich deswegen vor der Klasse so vorzuführen.

Kinder lernen von Natur aus freiwillig, sie sind eigenmotiviert, neugierig, kreativ, strebsam. Ohne diese Eigenschaften würden sie wohl nie laufen, klettern, sprechen und so weiter lernen. Dazu kann man Kinder nicht zwingen, das geht nur von selbst, und zwar bei jedem Kind in seiner eigenen Geschwindigkeit.

Vertrauen wir doch etwas mehr darauf, dass diese Eigenschaften mit dem Eintritt ins Schulalter nicht auf einmal weg sind. Sie sind die naturgegebene Basis für jede Weiterentwicklung.

Und dann weint ein achtjähriges Mädchen, weil es Angst hat wegen ein paar Fehlern in einem Test, auf den es sogar eine Eins hat, nicht ins Gymnasium zu kommen.

Da hat´s doch was im System, oder?

Herzliche Grüße

Eure Moni

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